11. Berliner Gespräche zum Gesundheitsrecht15.03.2016Bundesminister für Gesundheit bekennt sich zum dualen KrankenversicherungssystemAm 15. März 2016 fanden im Hotel Adlon Kempinski Berlin zum 11. Male die Berliner Gespräche zum Gesundheitsrecht statt. Veranstalter waren das Deutsche Institut für Gesundheitsrecht (DIGR), die Freie Universität Berlin und die renommierte internationale Anwaltssozietät Baker & McKenzie. Das diesjährige Thema war „Aktuelle Reformgesetzgebung im Gesundheitswesen“. Den ausführlichen Eröffnungsvortrag dieser Tagung hielt der Bundesminister für Gesundheit; darin zog er eine Bilanz der jüngsten Gesetzgebung. Hermann Gröhe warb dafür, das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz, das Krankenhausstrukturgesetz und das sogenannte E-Health-Gesetz im Zusammenhang zu sehen. Diese Gesetzeswerke hätten im Kern mit der Frage zu tun, wie sich das Krankheitsbild verändere. Es gelte, Brücken zu bauen statt Mauern zwischen den verschiedenen Gesundheitsbereichen wie insbesondere dem ambulanten und stationären Sektor hochzuziehen. Der Minister verwies insoweit auf den im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz verankerten Innovationsfonds. Im Hinblick auf den Krankenhausbereich betonte er, dass eine intelligente Arbeitsteilung erforderlich sei. Das neue unabhängige Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen führe hier zu einem fairen Ausgleich zwischen den Interessen von Patienten und Versorgern. Der Minister forderte ferner, Informationstechnologien im Gesundheitswesen mutiger zu nutzen; das E-Health-Gesetz schaffe mehr Möglichkeiten für den Austausch zwischen den Beteiligten und verbessere den Datenschutz. Der noch in den parlamentarischen Beratungen befindliche Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen solle die Souveränität von medizinischen Entscheidungen und damit das vertrauensvolle Arzt-Patienten-Verhältnis schützen. In dem anschließenden Vortrag analysierte Dr. Thilo Räpple, Partner der Anwaltssozietät Baker & McKenzie, den Regierungsentwurf des Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, durch das mit den §§ 299a und 299b (Bestechlichkeit bzw. Bestechung im Gesundheitswesen) zwei neue Straftatbestände in das Strafgesetzbuch (StGB) eingefügt werden sollen. Ohne Unterscheidung zwischen akademischen und nicht-akademischen Heilberufen umfasse der Täterkreis der neuen Vorschriften Angehörige der Heilberufe. Diese Normen seien als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgestaltet und hätten eine zweifache Schutzrichtung: Zum einen gehe es darum, den wettbewerbsrechtlich strukturierten Ordnungsmechanismus des Gesundheitsmarktes als solchen zu schützen; zum anderen sei es Ziel des Gesetzgebers, das Vertrauen der Patienten in die Integrität von heilberuflichen Entscheidungen zu garantieren. Als besonders problematisch sah Räpple die Bezugnahme in den §§ 299a und 299b StGB in der Fassung des Gesetzentwurfs auf die Berufsordnungen der Ärzte. Sofern Ärzte oder andere Berufsträger irgendwelche Vorteile annähmen und gleichzeitig gegen ihre Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verstießen, liefen sie Gefahr, nicht nur standesrechtlich, sondern zukünftig auch strafrechtlich belangt zu werden. Mit dem Krankenhausstrukturgesetz beschäftigte sich Rechtsanwalt Andreas Wagener, der stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Justitiar der Deutschen Krankenhausgesellschaft ist. Dieses Gesetz bezweckt die Stärkung der Qualität der Krankenhausversorgung und die Erhöhung der Zahl der Pflegekräfte am Krankenbett. Ein Hygieneförderprogramm soll den Schutz der Patienten vor gefährlichen Krankenhausinfektionen verbessern. Wagener bezeichnete das Gesetz zwar als einen Schritt in die richtige Richtung. Er kritisierte jedoch insbesondere die rückläufige Entwicklung der Investitionsfinanzierung der Krankenhäuser, welche zu einer jährlichen Investitionslücke von ca. 3,3 Milliarden Euro führe. Ausführlich widmete sich Wagner dem sogenannten Fixkostendegressionsabschlag, dessen Höhe erstmals für das Jahr 2017 bis zum 30. September 2016 auf der Landesebene zu vereinbaren sei. In seinem Vortrag über das Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen sowie zur Änderung weiterer Gesetze (sogenanntes E-Health-Gesetz) begrüßte Dr. Günther E. Buchholz, stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, die Intention des Gesetzgebers, durch den Aufbau der Telematikinfrastruktur Voraussetzungen für eine sichere elektronische Kommunikation im Gesundheitswesen zu schaffen und die Einführung medizinischer Anwendungen zu beschleunigen. Den positiven Anmerkungen folgten jedoch einige sehr kritische Hinweise: Insbesondere die Fristsetzung für die Einführung des Managements der Versichertenstammdaten durch die „gematik – Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH“ bis zum 30. Juni 2016 und die mit Überschreitung der Frist verknüpfte Kürzung der Haushalte der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung sowie des GKV-Spitzenverbandes im Jahr 2017 seien weder realistisch noch geeignet, eine Beschleunigung des Projektes zu bewirken. Dies gelte ebenso für die Fristsetzung hinsichtlich der Gültigkeitsprüfung der Versichertenstammdaten durch die an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Zahnärzte. Die vorgesehenen Strafmaßnahmen gegen die von der Leistungsfähigkeit der Industrie abhängigen Leistungserbringer seien sowohl ungerechtfertigt als auch unwirksam und wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Selbstverwaltungsrecht der betroffenen Körperschaften rechtlich bedenklich. Ein Verzicht auf die abgestimmte und von allen geforderte Mindestqualität der Komponenten sei der falsche Weg. Dr. Buchholz forderte dringend, ein Scheitern des Gesamtprojekts zu verhindern. Den letzten Vortrag hielt Prof. Dr. Nils Schaks, der Juniorprofessor für Öffentliches Recht an der Fakultät für Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim sowie Mitautor der ausführlichen verfassungs- und sozialrechtlichen Studie des DIGR vom März 2015 mit dem Titel „Rechtsprobleme des Entwurfs des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes“ ist. Er beschäftigte sich sehr kritisch mit dem Thema „Das medizinische Versorgungszentrum nach dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz“. Die Streichung des Definitionsmerkmals „fachübergreifend“ in § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V lasse ein wesentliches Charakteristikum des medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) nach bisherigem Recht entfallen. Eine neue systematische Konzeption werde jedoch nicht erkennbar. Insgesamt ließen die Neuregelungen Kohärenz vermissen. Teilweise führten die Brüche zu Ungleichbehandlungen mit anderen Ausübungsformen der ärztlichen Tätigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Hier sei zweifelhaft, ob hinreichend gewichtige Belange die Ungleichbehandlungen rechtfertigen könnten. Dies sei beispielsweise dann fraglich, wenn es MVZ erlaubt sei, sich auch ohne konkreten Bewerber um nachzubesetzende Vertragsarztsitze zu bewerben. Die Neuregelungen zur Gründung von MVZ speziell durch Kommunen verstießen gegen Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG, der regelt, dass Gemeinden und Gemeindeverbänden nicht durch Bundesgesetz Aufgaben übertragen werden dürfen. Diese Vorschrift wolle die Kommunen vor finanzieller Überlastung und die Länder vor dem Verlust ihrer Staatlichkeit schützen. Prof. Schaks führte aus, dass auch die Übertragung einer Kompetenz, deren Ausübung fakultativ sei, eine Aufgabenübertragung im Sinne von Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG darstelle. Diese Norm beinhalte ein striktes und umfassendes Verbot, welches keine Ausnahmen kenne. Ein Verstoß hiergegen führe zur Verfassungswidrigkeit der Übertragung der Aufgaben. An alle Vorträge schlossen sich intensive Diskussionen an. Mit knapp 150 Teilnehmern, zu denen auch einige Medienvertreter gehörten, war die Tagung sehr gut besucht. (Fotos: axentis.de / G.J.Lopata) Bilder der Veranstaltung (Teil 1)Bilder der Veranstaltung (Teil 2)Bilder der Veranstaltung (Teil 3)Bilder der Veranstaltung (Teil 4) |