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Deutsches Institut für
Gesundheitsrecht

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Das Deutsche Institut für Gesundheitsrecht (DIGR)

Zum Wohl der Patienten und für ein leistungsfähiges Gesundheitssystem wurde im März 2006 in Berlin das Deutsche Institut für Gesundheitsrecht (DIGR) als Kompetenzzentrum im Wertesystem der Gesundheitsverfassung gegründet.

Das DIGR ist eine unabhängige wissenschaftliche Einrichtung. Sein Ziel ist ein freies, faires und partnerschaftliches Gesundheitswesen. Zur Erreichung dieses Ziels engagiert sich das DIGR in den Bereichen Forschung, Lehre, Beratung und Nachwuchsförderung.

Wissenschaftliche Leitung:
Universitätsprofessor Dr. Helge Sodan

Verfassungsrechtliche Probleme der Budgetierung der Vergütung vertragszahnärztlicher Leistungen

Eine Studie zu der durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vorgenommenen Mittelbegrenzung der Parodontitistherapie

Anlass dieser vom DIGR verfassten Studie ist das von Seiten der Leistungserbringer stark kritisierte Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz) vom 07.11.2022. Im vertragszahnärztlichen Bereich hat die Begrenzung des Anstiegs der Punktwerte und der Gesamtvergütung für die Jahre 2023 sowie 2024 für viel Kritik gesorgt. Hintergrund ist die erst im Jahr 2021 durch die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses eingeführte neue Parodontitisbehandlungsstrecke. Die Entzündungserkrankung Parodontitis wird gemeinhin als „Volkskrankheit“ bezeichnet, weil ca. 30 Millionen Menschen in Deutschland an der Krankheit leiden sollen. Sie kann zum Zahnverlust führen und weist nicht nur eine direkte Wechselwirkung mit Diabetes auf, sondern steht nach medizinischen Studien auch in Verbindung mit anderen schweren Erkrankungen (z.B. Herzerkrankungen, Schlaganfall und Alzheimer Demenz). Durch die Vergütungsbegrenzungen für vertragszahnärztliche Leistungen werden der neuen Parodontitistherapie nun zu Lasten der Versicherten faktisch die finanziellen Mittel entzogen. Darauf hatte auch schon der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren hingewiesen und vorgeschlagen, die Leistungen zur Behandlung der Parodontitis aus den Vergütungsbeschränkungen herauszunehmen.
Die Studie prüft am Beispiel der niedergelassenen Vertragszahnärzte deshalb, ob und inwieweit aus verfassungsrechtlichen Gründen die Parodontitistherapie von den Vergütungsbegrenzungen ausgenommen werden muss. Sie kommt dabei im Wesentlichen zu folgenden Ergebnissen:

1. Die Vergütungsbegrenzungen für vertragszahnärztliche Leistungen verletzen niedergelassene Vertragszahnärzte – ohne eine einschränkende Auslegung – in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG sowie in ihrem durch Art. 14 GG geschützten Grundrecht der Eigentumsfreiheit und sind insoweit verfassungswidrig. Der Gesetzgeber sollte daher die maßgeblichen Regelungen verfassungskonform gestalten, indem er regelt, dass die Vergütungsbegrenzungen für alle Parodontitisbehandlungen keine Anwendung finden.

2. Als Alternative zeigt die Studie den Gesamtvertragspartnern die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung auf, nach der die in den Jahren 2021 und 2022 bereits begonnenen Behandlungsstrecken vollständig und damit auch entsprechende Folgebehandlungen in den Jahren 2023 sowie 2024 von der Begrenzung des Anstiegs der Punktwerte und der Gesamtvergütung ausgenommen sind.

Im Falle von Erweiterungen des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung bei gleichzeitiger Mittelbegrenzung könnten sich entsprechende Probleme auch für den vertragsärztlichen Bereich ergeben.

Studie "Verfassungsrechtliche Probleme der Budgetierung der Vergütung vertragszahnärztlicher Leistungen" als pdf-Download

Studie „Betretungs- und Tätigkeitsverbote im Rahmen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht“

Das Deutsche Institut für Gesundheitsrecht (DIGR) stellte im Juli 2022 eine 72 Seiten umfassende verfassungs- und verwaltungsrechtliche Studie „Betretungs- und Tätigkeitsverbote im Rahmen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht“ vor.

Das politische Scheitern einer allgemeinen bzw. altersbezogenen Impfpflicht wirft die Frage nach der Richtigkeit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht auf. Denn die einrichtungsbezogene Impfpflicht war ursprünglich wohl als Vorläufer einer allgemeinen Impfpflicht gedacht. Sie ist nach gegenwärtiger Rechtslage zunächst bis zum 31. Dezember 2022 befristet. Nachdem das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 27. April 2022 im Hauptsacheverfahren die einrichtungsgezogene Impfpflicht als verfassungsgemäß beurteilt hat, kann auch mit Blick auf die sich abzeichnende Verschärfung der Corona-Pandemie spätestens im Herbst sowie Winter 2022 und angesichts von Äußerungen des Bundesministers für Gesundheit von einem politischen Willen zur Aufrechterhaltung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht – möglicherweise über die derzeitige Befristung hinaus – ausgegangen werden.

Damit stellt sich die Frage nach der Reformbedürftigkeit dieser in § 20a IfSG geregelten Impfpflicht, zumal im Rahmen der gegenwärtigen Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht das besonders relevante Problem auftaucht, welche Spielräume den Gesundheitsämtern bei der Entscheidung über die Anordnung von Betretungs- und Tätigkeitsverboten im Hinblick auf nicht immunisierte Personen im Gesundheitswesen zustehen. Bislang wurden – soweit ersichtlich – Betretungs- oder Tätigkeitsverbote zumindest weit überwiegend nicht angeordnet; „in größerem Maße“ ist laut dem Deutschen Städtetag „in der zweiten Jahreshälfte 2022“ mit entsprechenden Anordnungen zu rechnen. Die vorliegende Studie geht dabei von dem typischen Sachverhalt aus, dass trotz einer Aufforderung des Gesundheitsamts (§ 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG) diesem nicht ein Immunitätsnachweis vorgelegt wird (§ 20a Abs. 5 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 IfSG).

Nach einer Darstellung der Entstehungsgeschichte, der Änderung und der wesentlichen Regelungen des § 20a IfSG untersucht die Studie in ihrem zweiten Teil die grundrechtlichen Bezüge der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Auf dieser Grundlage erörtert der dritte Teil die de lege lata bestehenden Spielräume der Gesundheitsämter in Zusammenhang mit Betretungs- und Tätigkeitsverboten. Die im Falle der Anordnung von Betretungs- oder Tätigkeitsverboten in diesem Teil dargelegte Rechtsunsicherheit leitet über in den vierten Teil der Studie, der die Reformbedürftigkeit des § 20a Abs. 5 IfSG darstellt. Im fünften Teil wird ein begründeter Änderungsentwurf vorgelegt, der insbesondere die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems und die Versorgungsfähigkeit betroffener Einrichtungen sowie Unternehmen als Grenze der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht adressiert. Die Studie schließt in ihrem sechsten und letzten Teil mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Leitsätzen.

Studie „Betretungs- und Tätigkeitsverbote im Rahmen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht“

Zur demokratischen Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses. Eine verfassungs- und sozialrechtliche Studie

Das Deutsche Institut für Gesundheitsrecht (DIGR) veröffentlichte im Dezember 2017 die umfangreiche Studie „Zur demokratischen Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses. Eine verfassungs- und sozialrechtliche Studie“. Anlass dieser Untersuchung ist ein Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 2015, der „durchaus gewichtige“ Zweifel an der demokratischen Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) äußerte; davon ist auch in einem Beschluss der 1. Kammer dieses Senats vom 6. Oktober 2016 die Rede.

Die Studie des DIGR gelangt zu dem Ergebnis, dass ein Legitimationsdefizit gegenwärtig nicht in einer mangelnden gesetzlichen Anleitung, sondern in der fehlenden oder unzureichenden Partizipationsmöglichkeit einiger durch die Richtlinien des G-BA Gebundenen besteht. Nach derzeitigem Stand scheitert die demokratische Legitimation des G-BA an der für die funktionale Selbstverwaltung wichtigen funktionellen Legitimation. Eine vollständige Verlagerung der Befugnisse des G-BA auf den Verordnungsgeber ist allerdings ebenso wenig sinnvoll wie eine direkte Regelung in den Bundesmantelverträgen oder eine Beleihung des G-BA. Die effektivste Lösung, um das Legitimationsdefizit der funktionellen Komponente zu beseitigen, wäre die Ausweitung der Beteiligungsrechte durch Mitberatungs- und Mitentscheidungsrechte der jeweils von den Richtlinien des G-BA Betroffenen. Dies gilt etwa für die Arzneimittelhersteller. Derzeit haben die pharmazeutischen Unternehmer und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer gem. § 92 Abs. 3a Satz 1 SGB V vor der Entscheidung des G-BA über die Richtlinien zur Verordnung von Arzneimitteln das Recht zur Abgabe von Stellungnahmen, worin lediglich Verfahrensrechte zu sehen sind. Weitere Rechte im Beschlussgremium stehen ihnen nicht zu. Zwar wird man den Gesetzgeber nicht für verpflichtet halten können, jeden auf dem betreffenden Sachgebiet tätigen Verband im G-BA personell zu berücksichtigen. Im Rahmen des ihm zustehenden politischen Gestaltungsspielraums muss er aber zumindest eine Vertretung betroffener Berufsgruppen als solcher sicherstellen und dabei eine zahlenmäßige Mitgliederstärke festlegen, durch welche der Gefahr der Durchsetzung gruppenegoistischer Ziele in einem pluralistisch zusammengesetzten G-BA entgegengewirkt wird. Anderenfalls fehlt dem G-BA die funktionelle Legitimation, um Richtlinien zu beschließen, welche sich etwa in erheblicher Weise auf pharmazeutische Unternehmer auswirken. Die funktionelle Legitimation entfaltet immer nur insoweit Rechtswirkung, als die jeweiligen sachverständigen Repräsentanten für ihre betroffenen Sachgebiete gemeinsam entschieden haben. Infolgedessen muss das notwendige Mitentscheidungsrecht von Vertretern betroffener Leistungserbringer-Gruppen auf die Beschlussfassung über diejenigen Richtlinien beschränkt werden, welche sie fachlich „angehen“.

Eine vierseitige Zusammenfassung in Leitsätzen befindet sich auf den S. 68-71.

Zur demokratischen Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses. Eine verfassungs- und sozialrechtliche Studie als PDF-Download

Verfassungsrechtliche Einwände gegen Modell einer „Bürgerversicherung“

Am 21. Juni 2017 fand eine öffentliche Anhörung des Bundestagsausschusses für Gesundheit zu dem von der Fraktion DIE LINKE. in den Deutschen Bundestag eingebrachten Antrag „Solidarische und gerechte Finanzierung von Gesundheit und Pflege“ (Bundestagsdrucksache 18/11722) statt. Darin (S. 1 f.) beantragt diese Fraktion einen Beschluss des Deutschen Bundestages, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, Gesetzentwürfe vorzulegen, welche unter anderem die private Krankheitsvollversicherung und die private Pflege-Pflichtversicherung sowie die Beitragsbemessungsgrenzen in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung abschaffen sollen.

In der öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Gesundheit hat der Direktor des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht (DIGR), Prof. Dr. Helge Sodan, deutlich gemacht, dass diese Forderungen auf schwerwiegende verfassungsrechtliche Einwände stoßen:

1. Sehr zweifelhaft ist bereits, ob der Bundestag für gesetzliche Festlegungen einer als umfassende Zwangsversicherung ausgestalteten gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung den Kompetenztitel „Sozialversicherung“ für sich in Anspruch nehmen könnte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können zwar neue Lebenssachverhalte in das Gesamtsystem „Sozialversicherung“ einbezogen werden, wenn zumindest eine Orientierung am klassischen Bild der Sozialversicherung erfolgt. Von diesem Bild würde sich jedoch eine umfassende „Einwohnerversicherung“ – gerade durch die künftige Einbeziehung von Selbständigen und Beamten – vollends lösen.

Zusätzliche Probleme im Hinblick auf die notwendige Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergäben sich hier bezüglich der Beihilfeberechtigten. Der Bundesgesetzgeber besitzt nach dem Grundgesetz keine Kompetenz, Landesbeamte in die gesetzliche Krankenversicherung oder soziale Pflegeversicherung zwangsweise einzubeziehen. Ferner fehlt eine Zuständigkeit des Bundes, die Länder zur Eingliederung ihrer Beamten in eine im Wesentlichen beitragsfinanzierte Einheitsversicherung zu verpflichten.

Eine als umfassende „Einwohnerversicherung“ ausgestaltete Sozialversicherung ließe sich auch mit Grundrechtsvorschriften nicht vereinbaren. Zwar ist eine soziale Pflichtversicherung prinzipiell zulässig. Eine die gesamte Bevölkerung einbeziehende Bürgerzwangsversicherung würde aber für viele Pflichtmitglieder, die eindeutig nicht sozial schutzbedürftig sind, in keinem vernünftigen Verhältnis zu den diesen Personen aus der Pflichtzugehörigkeit erwachsenden Vorteilen stehen und wäre daher wegen Verstoßes gegen das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verfassungswidrig. Abgesehen davon müsste jedenfalls ein Bestandsschutz zugunsten derjenigen Personen geregelt werden, die derzeit über eine private Krankheitsvollversicherung und eine private Pflegeversicherung verfügen. Eine Gewährleistung des Bestandsschutzes hält auch die Fraktion der SPD für erforderlich (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit vom 27. Juni 2017, Bundestagsdrucksache 18/12932, S. 4 – Vorabfassung).

Eine Abschaffung dieser privaten Versicherungen würde ferner gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit verstoßen, auf welches sich private Versicherungsunternehmen berufen könnten. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. lässt keine öffentliche Interessen erkennen, die von einem solchen Gewicht sind, dass sich mit ihnen im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung die Zerstörung des klassischen Geschäftsmodells der privaten Krankenversicherung rechtfertigen ließe.

2. Eine Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenzen in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung wäre für besonders gut verdienende Zwangsversicherte eindeutig unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig. Auch die Fraktion der SPD hält die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenzen für verfassungswidrig (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit vom 27. Juni 2017, Bundestagsdrucksache 18/12932, S. 4 – Vorabfassung).

Hinsichtlich der näheren Begründung wird auf die dem Bundestagsausschuss für Gesundheit übersandte ausführliche schriftliche Stellungnahme vom 20. Juni 2017 verwiesen:

Ausschussdrucksache 18(14)0267(11) als PDF-Download

Eine kurze Zusammenfassung der verfassungsrechtlichen Kritik am Modell einer „Bürgerversicherung” finden Sie hier:

Flyer „Verfassungsrechtliche Einwände gegen Modell einer Bürgerversicherung“ als PDF-Download

Den genannten Antrag der Fraktion DIE LINKE. lehnte der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung am 28. Juni 2017 mit den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen ab.

11. Berliner Gespräche zum Gesundheitsrecht

Bundesminister für Gesundheit bekennt sich zum dualen Krankenversicherungssystem

Am 15. März 2016 fanden im Hotel Adlon Kempinski Berlin zum 11. Male die Berliner Gespräche zum Gesundheitsrecht statt. Veranstalter waren das Deutsche Institut für Gesundheitsrecht (DIGR), die Freie Universität Berlin und die renommierte internationale Anwaltssozietät Baker & McKenzie. Das diesjährige Thema war „Aktuelle Reformgesetzgebung im Gesundheitswesen“.

Den ausführlichen Eröffnungsvortrag dieser Tagung hielt der Bundesminister für Gesundheit; darin zog er eine Bilanz der jüngsten Gesetzgebung. Hermann Gröhe warb dafür, das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz, das Krankenhausstrukturgesetz und das sogenannte E-Health-Gesetz im Zusammenhang zu sehen. Diese Gesetzeswerke hätten im Kern mit der Frage zu tun, wie sich das Krankheitsbild verändere. Es gelte, Brücken zu bauen statt Mauern zwischen den verschiedenen Gesundheitsbereichen wie insbesondere dem ambulanten und stationären Sektor hochzuziehen. Der Minister verwies insoweit auf den im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz verankerten Innovationsfonds. Im Hinblick auf den Krankenhausbereich betonte er, dass eine intelligente Arbeitsteilung erforderlich sei. Das neue unabhängige Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen führe hier zu einem fairen Ausgleich zwischen den Interessen von Patienten und Versorgern. Der Minister forderte ferner, Informationstechnologien im Gesundheitswesen mutiger zu nutzen; das E-Health-Gesetz schaffe mehr Möglichkeiten für den Austausch zwischen den Beteiligten und verbessere den Datenschutz. Der noch in den parlamentarischen Beratungen befindliche Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen solle die Souveränität von medizinischen Entscheidungen und damit das vertrauensvolle Arzt-Patienten-Verhältnis schützen.
In der anschließenden Diskussion bekannte sich Gröhe ausdrücklich zum dualen Krankenversicherungssystem und damit zur Erhaltung der privaten Krankenversicherung als Krankheitskostenvollversicherung. Dieser Hinweis ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund bedeutsam, dass die SPD derzeit offenbar mit Blick auf die nächste Bundestagswahl an einer Aktualisierung ihres Modells einer sogenannten Bürgerversicherung arbeitet.

In dem anschließenden Vortrag analysierte Dr. Thilo Räpple, Partner der Anwaltssozietät Baker & McKenzie, den Regierungsentwurf des Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, durch das mit den §§ 299a und 299b (Bestechlichkeit bzw. Bestechung im Gesundheitswesen) zwei neue Straftatbestände in das Strafgesetzbuch (StGB) eingefügt werden sollen. Ohne Unterscheidung zwischen akademischen und nicht-akademischen Heilberufen umfasse der Täterkreis der neuen Vorschriften Angehörige der Heilberufe. Diese Normen seien als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgestaltet und hätten eine zweifache Schutzrichtung: Zum einen gehe es darum, den wettbewerbsrechtlich strukturierten Ordnungsmechanismus des Gesundheitsmarktes als solchen zu schützen; zum anderen sei es Ziel des Gesetzgebers, das Vertrauen der Patienten in die Integrität von heilberuflichen Entscheidungen zu garantieren. Als besonders problematisch sah Räpple die Bezugnahme in den §§ 299a und 299b StGB in der Fassung des Gesetzentwurfs auf die Berufsordnungen der Ärzte. Sofern Ärzte oder andere Berufsträger irgendwelche Vorteile annähmen und gleichzeitig gegen ihre Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verstießen, liefen sie Gefahr, nicht nur standesrechtlich, sondern zukünftig auch strafrechtlich belangt zu werden.

Mit dem Krankenhausstrukturgesetz beschäftigte sich Rechtsanwalt Andreas Wagener, der stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Justitiar der Deutschen Krankenhausgesellschaft ist. Dieses Gesetz bezweckt die Stärkung der Qualität der Krankenhausversorgung und die Erhöhung der Zahl der Pflegekräfte am Krankenbett. Ein Hygieneförderprogramm soll den Schutz der Patienten vor gefährlichen Krankenhausinfektionen verbessern. Wagener bezeichnete das Gesetz zwar als einen Schritt in die richtige Richtung. Er kritisierte jedoch insbesondere die rückläufige Entwicklung der Investitionsfinanzierung der Krankenhäuser, welche zu einer jährlichen Investitionslücke von ca. 3,3 Milliarden Euro führe. Ausführlich widmete sich Wagner dem sogenannten Fixkostendegressionsabschlag, dessen Höhe erstmals für das Jahr 2017 bis zum 30. September 2016 auf der Landesebene zu vereinbaren sei.

In seinem Vortrag über das Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen sowie zur Änderung weiterer Gesetze (sogenanntes E-Health-Gesetz) begrüßte Dr. Günther E. Buchholz, stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, die Intention des Gesetzgebers, durch den Aufbau der Telematikinfrastruktur Voraussetzungen für eine sichere elektronische Kommunikation im Gesundheitswesen zu schaffen und die Einführung medizinischer Anwendungen zu beschleunigen. Den positiven Anmerkungen folgten jedoch einige sehr kritische Hinweise: Insbesondere die Fristsetzung für die Einführung des Managements der Versichertenstammdaten durch die „gematik – Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH“ bis zum 30. Juni 2016 und die mit Überschreitung der Frist verknüpfte Kürzung der Haushalte der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung sowie des GKV-Spitzenverbandes im Jahr 2017 seien weder realistisch noch geeignet, eine Beschleunigung des Projektes zu bewirken. Dies gelte ebenso für die Fristsetzung hinsichtlich der Gültigkeitsprüfung der Versichertenstammdaten durch die an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Zahnärzte. Die vorgesehenen Strafmaßnahmen gegen die von der Leistungsfähigkeit der Industrie abhängigen Leistungserbringer seien sowohl ungerechtfertigt als auch unwirksam und wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Selbstverwaltungsrecht der betroffenen Körperschaften rechtlich bedenklich. Ein Verzicht auf die abgestimmte und von allen geforderte Mindestqualität der Komponenten sei der falsche Weg. Dr. Buchholz forderte dringend, ein Scheitern des Gesamtprojekts zu verhindern.

Den letzten Vortrag hielt Prof. Dr. Nils Schaks, der Juniorprofessor für Öffentliches Recht an der Fakultät für Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim sowie Mitautor der ausführlichen verfassungs- und sozialrechtlichen Studie des DIGR vom März 2015 mit dem Titel „Rechtsprobleme des Entwurfs des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes“ ist. Er beschäftigte sich sehr kritisch mit dem Thema „Das medizinische Versorgungszentrum nach dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz“. Die Streichung des Definitionsmerkmals „fachübergreifend“ in § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V lasse ein wesentliches Charakteristikum des medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) nach bisherigem Recht entfallen. Eine neue systematische Konzeption werde jedoch nicht erkennbar. Insgesamt ließen die Neuregelungen Kohärenz vermissen. Teilweise führten die Brüche zu Ungleichbehandlungen mit anderen Ausübungsformen der ärztlichen Tätigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Hier sei zweifelhaft, ob hinreichend gewichtige Belange die Ungleichbehandlungen rechtfertigen könnten. Dies sei beispielsweise dann fraglich, wenn es MVZ erlaubt sei, sich auch ohne konkreten Bewerber um nachzubesetzende Vertragsarztsitze zu bewerben. Die Neuregelungen zur Gründung von MVZ speziell durch Kommunen verstießen gegen Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG, der regelt, dass Gemeinden und Gemeindeverbänden nicht durch Bundesgesetz Aufgaben übertragen werden dürfen. Diese Vorschrift wolle die Kommunen vor finanzieller Überlastung und die Länder vor dem Verlust ihrer Staatlichkeit schützen. Prof. Schaks führte aus, dass auch die Übertragung einer Kompetenz, deren Ausübung fakultativ sei, eine Aufgabenübertragung im Sinne von Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG darstelle. Diese Norm beinhalte ein striktes und umfassendes Verbot, welches keine Ausnahmen kenne. Ein Verstoß hiergegen führe zur Verfassungswidrigkeit der Übertragung der Aufgaben.

An alle Vorträge schlossen sich intensive Diskussionen an. Mit knapp 150 Teilnehmern, zu denen auch einige Medienvertreter gehörten, war die Tagung sehr gut besucht.

(Fotos: axentis.de / G.J.Lopata)

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